Mi 03.05.17 19:35
Klassenbuch und Ausblick auf 2017/2018
Wie könnte man die Saison 2016/2017 am besten beschreiben? „Probe-Saison“, wie Cheftrainer Gordon Herbert oder eine andere Formulierung von ihm: „Achterbahnfahrt.“ Ich habe mich in unserer Zeitungs-Ausgabe für das Unbefriedigende Übergangsjahr entschieden. Für mich hat diese Spielzeit den Eindruck gemacht, als wolle man die jungen Spieler heranführen, um dann nächstes Jahr voll angreifen zu können. Natürlich war es trotzdem richtig das Ziel Playoffs auszugeben, warum sollte man auch um Platz 10 oder 12 spielen wollen? In meiner Saisonprognose habe ich die Skyliners auch tatsächlich auf den zehnten Platz getippt. Mit einem besseren Point-Guard, ohne die Rücken-OP von Gordon Herbert und nicht so viel Hin und Her im Kader, wäre vielleicht sogar etwas mehr gegangen. Die letzten Spiele haben gezeigt, dass die Skyliners mithalten können. Dass sie alle knappen Partien am Ende verloren haben, ist aber eben nicht nur Pech, sondern auch fehlende Qualität gewesen. Im Folgenden findet Ihr meine Einzelbewertungen der Spieler nach Positionen sowie ein Fazit bzw. Ausblick, was größtenteils auch schon im FR-Artikel stand.
Markel Starks: Hat von Anfang nicht in das System der Skyliners gepasst, weil er schlecht verteidigt hat. Ich sehe es immer noch vor mir, wie er in Bonn seine Gegenspieler mehrmals hat in die Zone spazieren lassen. Da konnte er noch so ordentlich punkten. Als Shooting-Guard hätte er vielleicht eine bessere Rolle gespielt. Verletzte sich dann ziemlich schnell und wurde aussortiert.
Kwame Vaughn: Auf meine Frage, ob der US-Amerikaner nicht eher ein Combo-Guard, denn ein Point-Guard war, antwortete Herbert am Samstag ehrlich: „Ich weiß nicht, was er überhaupt war.“ Man wusste nie, woran man an Vaughn ist. Erst verstand er die Systeme nicht, dann versuchte er es trotzdem immer wieder auf eigene Faust mit seinem Pull-up-Jumper von der Dreierlinie oder weiten Mitteldistanzwürfen. Mal klappte das ganz ordentlich, meistens aber nicht. Sein Zug zum Korb war ganz passabel, seine Freiwurfquote seine größte Stärke. Letztlich war er aber keiner, der das Team führen, auf dem man sich verlassen konnte. Keine Körpersprache, dazu wurde er einmal von Herbert suspendiert. Eigentlich hätte man dort schon die Reißleine ziehen müssen, denn besser wurde es nicht. Dass es mit Max Merz und Isaac Bonga sowie abwechselnd mit Quantez Robertson und AJ English als Ballvorträger besser lief, sagt alles aus.
Max Merz: Der 23-Jährige hat im Sommer hart gearbeitet und sich seinen Platz im Profikader verdient, wurde gleich zum Co-Kapitän ernannt. Dass er spielerisch limitiert ist, wusste man. Er brachte die Skyliners zwar immer ganz gut in die Offensive, war aber auch oft überfordert, wenn die Uhr runtertickte. Im Eins-gegen-Eins und beim Zug zum Korb chancenlos wegen seiner fehlenden Athletik. Wurde öfter geblockt, als dass er einen Korbleger versenken konnte. Ganz passabel war sein Dreier, aber auch nur wenn er frei genug war. Dass er seine Karriere so früh beendet, weil er glaubt in der Businesswelt erfolgreicher, als auf dem Basketballfeld sein zu können, muss man dem 1,83-Mann ganz groß anrechnen. Selbsteinschätzung ist nicht Jedermanns Sache. Merz hat aber nicht umsonst seinen Bachelor erfolgreich neben dem Profisport abgeschlossen. Dafür gebührt ihm ganz viel Respekt.
Isaac Bonga: Seit dem 1. Spieltag ist er der jüngste BBL-Spieler der Skyliners und der fünftjüngste der BBL-Historie. Er hat ein ereignisreiches Jahr hinter sich gebracht. NBBL, Pro B, Profikader, Basketball without borders inklusive Besuch des NBA-Allstarspiels, Adidas Next Generation Turnier und gegen Ende der Saison qualitativ gute Minuten in der BBL. Schade für ihn und Basketball-Frankfurt, dass er mit der NBBL nicht am Final-Four daheim teilnehmen wird. Hat im Spiel am vergangenen Sonntag gegen München den letzten Angriff vergeigt. Er wird im Sommer an seinem Körper und Wurf arbeiten, wahrscheinlich an der U18-EM und U19-WM teilnehmen und dann einen festen Platz in der Rotation bekommen. Sollte er sich dafür entscheiden, sein Abitur zu machen, könnte er jedoch nicht voll mittrainieren. Da er die Chance hat, kommende Saison schon den Sprung in die NBA zu machen, ist das eine der spannenden Fragen des Sommers. Alles zu Bonga gibt es auch im FR-Artikel von vor zwei Wochen.
Garai Zeeb: Bekam nur Kurzeinsätze im Profiteam. Hat trotzdem seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert. Mehr als der dritte Point-Guard wird er aber hinter Bonga und einem Spieler x aber nicht werden.
Antonio Graves: Er entschied in der ersten Saisonhälfte drei Partien zugunsten der Skyliners – als er auf der Point-Guard-Position aushelfen musste. Als Shooting-Guard nicht der verlässlichste Scorer, was auch sicher daran lag, dass er ein Spieler ist, der von einem guten Point-Guard lebt. Darüber hinaus wohl auch nicht der einfachste Mitspieler. Er musste im Januar gehen, als AJ English schon seinen Posten eingenommen hatte.
AJ English: Er kam im Dezember und erwies sich sofort als klasse Schütze. Direkt in seinem zweiten Spiel mit einem Buzzer-Beater in Tübingen. In München erzielte er mal 22 Punkte im Schlussviertel, dazu waren seine 35 Zähler in Bremerhaven Ligaspitze. Für mich machte er oft den Eindruck eines D-League-Spielers, der sehr auf seine eigenen Statistiken schaut. Er versuchte es immer lieber selbst, als den Pass nach draußen zu spielen. Da sonst nicht viel Scoringpower im Team vorhanden war, bekam er nach dem Motto: Wer trifft hat Recht!, das Go von Trainer Herbert. Als zweitbester Schütze in der BBL hat er jedenfalls gute Werbung in eigener Sache gemacht und wird sich in der kommenden Saison einem gut bezahlenden Team anschließen. Vorher wird er sicher in der Summerleague sein Glück versuchen.
Quantez Robertson: Gegen Ende der Saison war der Kapitän plötzlich auch offensiv ein Faktor. Wo war er in der ersten Saisonhälfte? Spulte – natürlich – die meisten Minuten ab (35:02), sammelte die meisten Steals (2,6) in der BBL und zehntbester Rebounder (6,1). Er ist und bleibt die Seele des Teams, wenngleich auch er gegen den Negativtrend des ersten Halbjahrs keine Lösungen hatte.
Stefan Ilzhöfer: Er hatte sich so viel vorgenommen nach zwei Seuchenjahren mit seiner Schambeinentzündung. Doch es gelang ihm fast gar nichts. Anfangs zu zögerlich, später mit dem fehlenden Wurfglück. Cheftrainer Gordon Herbert will den Swingman gerne behalten, die Frage ist nur: Macht ein weiteres Engagement Sinn? Als Rollenspieler muss er sofort funktionieren wenn er reinkommt, wenn nicht, ist er raus. Vielleicht ist ein Neustart für ihn bei einem kleineren Team sogar besser. Gute Anlagen hat er, defensiv war er immer auf der Höhe.
Shawn Huff: Kam spät auf Wunsch von Gordon Herbert. „Ich habe einen Monat auf Huff gewartet.“ Der Finne konnte aus der Distanz nicht an die guten Statistiken aus den Vorjahren in der BBL anknüpfen, was aber auch daran lag, dass er nicht immer gute Anspiele bekam. Mir hat sein Nahdistanzwurf ganz gut gefallen. Er soll kommende Saison die Rolle einnehmen, die davor Aaron Doornekamp ausgefüllt hat. Das Vorbild sein, an dem sich die jungen Spieler hochziehen können. Mit ein bisschen mehr Eingewöhnungszeit wird er sicher eine ganz gute Rolle spielen – trotz seiner 32 Jahre. Die 13 Spiele in der Rückserie waren viel Durchschnitt.
Shavon Shields: War sofort der go-to-guy in der Offensive – und das als Rookie. Stabiler Dreier, guter Zug zum Korb. Irgendwann wussten die Gegner auch Bescheid und nahmen ihn öfters ganz gut aus dem Spiel. Kurz vor Saisonende wurde er nach Italien verliehen, um sich ins Schaufenster zu stellen. Denn gleichzeitig wurde die Option gezogen und wenn ein Klub ihn haben will, müssen sie den Skyliners eine Ablöse zahlen. Da er einen dänischen Pass hat, ist er für den europäischen Markt sehr interessant und wird zu 99 Prozent nicht zurückkommen.
Niklas Kiel: Es war irgendwie ein typisches erstes Profijahr für einen 19-Jährigen. Manchmal konnte er sein Potenzial voll andeuten, da traf er fast jeden Wurf, manchmal wollte ihm aber rein gar nichts gelingen. Eine kurze Verletzung warf ihn kurz aus der Bahn, dann musste er wegen den Personalproblemen oft auf der Centerposition aushelfen. Das ist nicht so seins. Im Sommer wird er weiter an seinem Körper arbeiten und dann werden wir auch mehr low-post-Spiel von ihm sehen. Er muss natürlich auch seinen Wurf stabilisieren und auch in der Verteidigung ließ er sich noch das ein oder andere mal abkochen. Kommende Saison muss er ein wenig dominanter werden. Die Anlagen dafür hat er.
Ekene Ibekwe: Der nigerianische Wandervogel hat nicht richtig ins Team gepasst. Er ersetzte den verletzten Niklas Kiel zunächst auf der 4, später verzichtete Cheftrainer Gordon Herbert auf Mahir Agva und ließ Ibekwe auf der 5 spielen. Das klappt so lala. War mir viel zu eigensinnig. Nahm viele Dreier ohne Not, statt den Angriff auszuspielen. Immerhin ganz gut bei den Rebounds, musste aber im Januar wie Graves gehen. Zu Recht.
Mike Morrison: Ist meiner Meinung nach weiter als Starter auf der Fünf ungeeignet. Er spielt einfach nicht klug genug, zu emotional, zu fehlerbehaftet. Die erste Saisonhälfte war richtig schlecht, mit der Rückkehr von Gordon Herbert wurde es besser. Das Highlight waren die 35 Punkte in der Champions League gegen Karsiyaka, danach baute er aber wieder stark ab. Von der Bank als Energizer ist er einfach stärker. Als Typ für die Mannschaft sehr wichtig. Hat noch ein Jahr Vertrag.
Mahir Agva: Er durfte am Anfang viel spielen – bis Cheftrainer Herbert kam. Er nahm den 2,06-Meter-Mann raus, dann verletzte er sich und kam danach nie wieder auf die Einsatzzeiten vom Saisonbeginn, weil Herbert mit seiner Defensivarbeit unzufrieden war. Daran änderte sich bis zum Ende nichts. Er wird den Klub wohl verlassen müssen.
Daniel Mayr: Der 2,18-Meter-Mann sollte eigentlich schon im September ins Training einsteigen. Jetzt im Mai hofft er darauf, dass er im Juni mit Basketballtraining anfangen kann. Der 21-Jährige war als Backup auf der Centerposition vorgesehen, um dann vielleicht schon während der Saison Morrison als Starter abzulösen. Jetzt ist fraglich, ob er überhaupt mal für die Skyliners spielen wird. Er hat in seiner Rehazeit viel am Oberkörper gearbeitet, immerhin etwas in diesem verlorenen Jahr.
Armin Trtovac: Kam im letzten Saisonspiel in Berlin zu seinem ersten BBL-Einsatz. Ein Ermüdungsbruch im Fuß hatte den 2,10-Meter großen Center lange, lange außer Gefecht gesetzt, sonst wäre er wahrscheinlich schon längst im Profikader. Wurde in der Pro B herangeführt, kam dort aber auch nur auf 13 Minuten im Schnitt.
Nach dieser durchschnittlichen Saison blickt Gordon Herbert voller Vorfreude auf die kommende Spielzeit: Mit Isaac Bonga, Niklas Kiel und Richard Freudenberg hat er drei deutsche Toptalente in den eigenen Reihen. Dazu mit Quantez Robertson, Mike Morrison und Shawn Huff drei gute Typen. Die großen Fragezeichen: wie geht es mit der Schule von Bonga weiter und wie fit wird Daniel Mayr? Vor allem an der Personalie Mayr hängen viele weitere Entscheidungen, die es aktuell schwer machen für die Verantwortlichen in die eine oder andere Richtung zu handeln. Wartet man ab und holt erstmal niemanden, verlängert man sogar mit Agva oder holt man sofort jemand anderen? Zum jetzigen Zeitpunkt wird man darauf keine kluge Antwort geben können.
Interessant wird auch sein, ob die Skyliners nochmal Phil Scrubb zurückholen wollen. Herbert mag ihn und wenn er fit ist, wäre eine super Verstärkung für das Team. Dann bräuchten die Hessen trotzdem noch einen reinen Point-Guard. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Hessen wieder mit nur fünf Ausländern in die Saison gehen wollen.
Das hängt sicher auch davon ab, ob man einen Ersatz für Premiumpartner Mainova findet. Der Vertrag ist nach dieser Saison ausgelaufen. Und ob die Skyliners international am Start sein werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie im Fiba Europe-Cup antreten, wenn es den dann noch gibt. Der vierthöchste bzw. niedrigste Wettbewerb wäre zumindest für die jungen Spieler gut, um weiter Erfahrung zu sammeln. Die Frage ist natürlich auch, ob sich was in dem Streit mit Fiba und Euroleague etwas tut im Sommer und ob die ganzen Wettbewerbe Bestand haben werden.
Der Kader für Saison 2017/2018: Die Auflistung ist ziemlich grob, da Spieler wie Tez, Huff und auch Freudenberg mehrere Positionen spielen können. Es wird auf jeden Fall ein PG gesucht, ein Combo-Guard wie Scrubb und noch ein großer Spieler. Je nachdem wie es mit Mayr weitergeht, vielleicht sogar zwei.
PG: x/Bonga/Zeeb
SG: Tez/Scrubb? und oder x
SF: Freudenberg/Huff
PF: Kiel/x
C: Morrison/Mayr?/
Das erste Saisonspiel in der Saison 2017/2018 ist nach aktuellen Plänen am 3. Oktober ein Heimspiel gegen Göttingen. Mitte August geht es mit dem Training los, die jungen deutschen Spieler machen vom 15. bis zum 25. Mai ein Minicamp.
@Timur: Vielen Dank, perfekte Analyse!
Am Ende haben drei Siege gefehlt, um in die Play-Offs zu kommen. Das ist zwar nicht gerade wenig, aber wie du richtig schreibst, haben im Grunde nur ein paar Kleinigkeiten gefehlt. Auch wenn gegen die ersten Drei ein Weiterkommen sicher nicht möglich gewesen wäre, hätte ich das Team gerne nochmal gegen eine Spitzenmannschaft gesehen. Gerade am Ende der regular season waren ein paar ordentliche Spiele dabei (Bonn, @Bayreuth, @Ulm, Alba), wenn auch meist mit knappen Niederlagen.
Deine Spielerbewertungen teile ich komplett, nur MM genießt bei mir einen gewissen „Welpenschutz“ (wobei „Welpe“ bei dem Riesenbaby natürlich nicht so passt:-). Ja, es stimmt alles, was du an Defiziten beschreibst. Aber – ich hatte es kürzlich glaub ich schon mal geschrieben – ist es in der BBL halt auch schwierig, richtig gute echte 5er zu bekommen – und bei der Skyliners-Kriegskasse sowieso. Natürlich hat ein Typ Gamble, Cooley (oder Voigtmann) sehr gefehlt, bestimmt hätte uns auch ein Thiemann (im Vergleich zu Agva) schon weiter geholfen. Aber ab Tabellenplatz 3 rennen in der BBL nicht allzu viele Klasse-Center übers Parkett.
Zu mm ist alles gesagt, auch ich kann vor der Entscheidung nur gaaanz tief den Hut ziehen. Insbesondere in der ersten Saisonphase hatte ich sicherlich den ein oder anderen nicht so netten Kommentar zu seinem Spiel. Aber was ich bei ihm immer anerkannt habe, ist Wille, Kampfgeist, Einstellung. Und in der Rückrunde hat er seine Leistung deutlich stabilisiert und erkennbar versucht „fehlerfreier“ zu spielen und TOs und Blocks zu reduzieren. Dass er dabei offensichtlich immer seine Grenzen gekannt und eben versucht hat, innerhalb dieser Grenzen seinen Output für das Team zu erhöhen, zeugt von einer für einen Profisportler nicht alltäglichen Selbsteinschätzung und einer ordentlichen Portion Intelligenz. Ein bisschen werde ich ihn vermissen:-((
Dann warten wir mal auf die nächsten News zum neuen Kader…