Mo 07.09.15 19:16
Die Ruhe vor dem Sturm – EM-Tagebuch – Tag 4 und 5
Der Tagebuch-Eintrag kommt ein wenig verspätet. Wir hatten um 9 Uhr ein Medien-Frühstück im Café Käfer, auf dem Dach des Reichstags mit DBB-Präsident Ingo Weiss und Vertretern der Fiba, anschließend war Medientraining und ich musste noch zwei Artikel bis 16 Uhr schreiben. Deswegen Tag 4 und Tag 5 gebündelt.
Der heutige Tag war trotz der zwei Texte recht entspannt. Nach dem Frühstück, bei dem es um den veränerten Rahmenterminkalender, über den ich schon ein paar Mal geschrieben habe, und die Erwägungen des DBB, sich für das vorolympische Qualifikationsturnier und die WM 2023 – alleine oder mit Partner (eventuell die Türkei) zu bewerben ging, sind wir in die Arena gefahren. Dort habe ich meinen Text über Bobby Dixon – den eingebürgerten Point Guard der Türken – fertiggeschrieben. Der Mann hat ein sehr bewegtes Leben hinter sich – morgen in der FR zu lesen. Mittags durften wir dann beim Abschlusstraining die letzten 15 Minuten zugucken. In der Regel werfen dann die Spieler nur noch auf den Korb. Mit dabei auch Robin Benzing, der gegen die Türkei wieder im Kader steht. Mal schauen wie fit er ist.
Anschließend stellten sich die Spieler in der Mixed-Zone unseren Fragen. Wie immer kämpften alle um einen Platz in der Nähe von Dirk Nowitzki. Das Gute war, dass die Spieler diesmal an mehreren Punkten des Ganges Halt gemacht haben, sodass wir mit mehreren Akteuren reden konnten. Am spielfreien Tag und nicht direkt nach einem Spiel ist das auch entspannter.
Ich habe ein bisschen mit Heiko Schaffartzik geredet, der immer gut für Sprüche ist, wie ihr vielleicht im heutigen FR-Artikel zum Spiel gegen Serbien gelesen habt. Natürlich auch mit Johannes Voigtmann mit dem ich nach jedem Spiel und nach jeder Einheit ein bisschen quatsche. Er hat sich angesichts des Skyliners-Kaders nicht gewundert, dass das Team so hoch gegen Bayreuth verloren hat. Vier Profis und vier Pro B-Spieler – das konnte nicht gutgehen. Bis Mitte November werden die Skyliners wohl mindestens brauchen, um eine Teamchemie aufbauen zu können, da ja immer noch keine Guards da sind.
Egal, wieder zurück zur EM. Das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Serbien war wirklich gut, auch die Halle ist erstaunlicherweise ziemlich gut mitgegangen. Gegen die Türken könnte das auch ganz gut werden, da die türkischen Zuschauer bislang sehr wenig Stimmung gemacht haben. Morgen dürfte sich das wohl ändern, sollte die deutsche Mannschaft aber führen, werden die türkischen Fans ziemlich schnell leise werden. Gegen Serbien haben die zugelassenen Offensivrebounds in Halbzeit eins und die verpatzten Würfe am Ende den Deutschen letztlich den Sieg gekostet. Die Stimmung unter den Spielern schwankte zwischen Ärger, Enttäuschung und ein wenig stolz über das Geleistete.
Für mich war der gestrige Tag der arbeitsaufwendigste. Ich bin schon um 11 Uhr in der Halle gewesen, um vor dem Deutschland-Spiel einen Artikel zu schreiben, der für unsere Deutschland-Ausgabe mitgeht. Da wir einen sehr frühen Redaktionsschluss für diese Ausgabe haben, musste der Artikel einen Randaspekt beleuchten, der nicht so viel mit Spiel zu tun hat, aber zumindest das Ergebnis enthielt. In diesem Fall die mangelenden Alternativen auf den Positionen Vier und Fünf. Dann hieß es Spiel schauen, Interviews machen und die Nachbetrachtung des Spiels bis 20.30 Uhr schreiben. Gleichzeitig habe ich den ersten Artikel ein wenig aktualisiert. Gegen die Türkei muss ich meine Arbeitsweise etwas ändern, da das Spiel erst um 17.45 Uhr beginnt, wird in der Deutschland-Ausgabe diesmal nicht einmal die Möglichkeit bestehen, das Ergebnis aus diesem Spiel zu nehmen. Ich werde vermutlich ein Porträt über Paul Zipser, der einen wirklich guten und unaufgeregten Eindruck macht. Während des Spiels muss ich dann schon anfangen zu schreiben und mit ein paar Stimmen anreichern. Für größere Analysen ist dann keine Zeit. Das wird sich bis zum Ende der Gruppenphase so ziehen, weil alle Spiele um 17.45 Uhr sind.
Es sind wirklich sehr viele deutsche Journalisten vor Ort. Ich schätze mal, dass heute in der Mixed-Zone ungefähr 50 dabei waren – Radio, TV, Online und Printjournalisten. Mein Lieblingsarbeitsgerät hat der Kollege Armin Lehmann vom WDR, wie ihr im Bild oben seht. Altmodisch, aber funktioniert! Der Presseraum ist schön geräumig, es ist genug Platz für alle da. Die Fernseher auf denen die anderen Spiele übertragen werden sind allerdings zu klein, sodass man kaum verfolgen kann wie es steht.
Ich verfolge den Rest meistens per Livescore auf der Eurobasket-Seite. Enttäuschend sind vor allem die Russen, die bislang alle Spiele verloren haben, Litauen hat heute überraschend gegen Belgien verloren. Verfolgt von euch sonst jemand noch die anderen Spiele per Stream? Das Griechenland-Kroatien-Spiel muss wohl ziemlich gut gewesen sein.
Gegen die Türkei hat die deutsche Mannschaft meiner Ansicht nach eine gute Chance. Die Türken haben nicht so viele Überraschungsmomente in ihrem Spiel, sie sind leicht auszurechen. Wenn sie ihre Sachen, die sie können – Pick and Roll, gute Distanzschützen – allerdings gut machen, wird es schwierig für das deutsche Team. Ich erwarte ein enges Spiel, obwohl ein Team auch mit 15 Punkten gewinnen kann. Es ist wirklich schwierig einzuschätzen, da die Spiele wirklich so anders ablaufen. Nach dem Island-Spiel habe ich nicht damit gerechnet, dass die DBB-Auswahl so gut gegen die Serben spielt. Die Türken haben bei der blow-out-Nieerlage gegen die Spanier viele Kräfte gespart, weil sie das Spiel in er zweiten Halbzeit abgeschenkt haben, wie der Trainer Ergin Ataman freimütig einräumte.
Es macht auf jeden Fall Spaß, so viele gute Spiele, in so kurzen Zeitabständen zu schauen. Schade, dass es am Donnerstag schon vorbei sein wird. Ein Extra-Ruhetag, wie Dirk Nowitzki ihn heute gefordert hat, wäre sicher sinnvoll. Ab heute geht es für alle Beteiligten Schlag auf Schlag. Heute war die Ruhe vor dem Sturm.
Da haben meine azzurri heute abend mal einen Stempel aufgedrückt…Wahnsinnig tolles Spiel und Fan support…unsere 3 NBA Stars alleine 74 Punkte!!! Freu mich auf morgen….!
Damit ist Deutschland raus…jetzt muss man beide Spiele gewinnen, was definitiv nicht passieren wird. Die 3 Spiele bisher zeigen aber wieder deutlich was beim deutschen Basketball falsch läuft und dass das auch in Zukunft nichts wird…
Deutschland muss nur ein Spiel gewinnen – dafür ausgerechnet gegen Spanien. Selbst bei einer Niederlage gegen Italien spielt das keine Rolle, da es um den direkten Vergleich geht.
Deutschland hätte bei einer Niederlage gegen Italien eine 1-3-Bilanz. Die Spanier werden zu 99 Prozent gegen Island gewinnen und hätten dann eine 2-2-Bilanz. Der Sieger der Partie Deutschland-Spanien kommt ins Achtelfinale.
Der bitterste Weg wäre natürlich: Man gewinnt gegen Italien, verliert dann knapp und bitter gegen Spanien und ist damit raus.
Nach dem gestrigen Auftritt gegen die Türkei sind aber eher 0 Siege wahrscheinlich. Offenkundige Schlüsselprobleme waren das grottige 1. Viertel und die unterirdische Dreier-Quote über das gesamt Match. Aber das war es nicht alleine und wäre zu einfach! Auch in den Vierteln 2-4, die man nach Adam Riese ja trotz hundsmiserabler Quote mit +15 gewonnen hat, hat mir das deutsche Team nicht gefallen.
Ich werde mit Schröders Spielweise einfach nicht warm (trotz 24 Punkten). Es ist korrekt: Er ist noch sehr jung und wir haben ohnehin zurzeit keinen besseren. Aber außer seinem Zug zum Korb hat er auf FIBA-Niveau zu wenig Optionen. Da waren einige wilde Aktionen und haarsträubende TOs dabei. Den Unterschied zu einem Dixon konnte man gestern ausgenfällig bewundern.
Dabei kann man DS nicht mal einen großen Vorwurf machen, denn er war tatsächlich im gestrigen Spiel die erste Scoring-Option (bzw. durch die Penetration Fouls zu ziehen). Wem hätte man die Kugel geben können…? Richtig… Gestern wirklich keinem (mit kleinen Ausnahmen Benzing und Nowitzki, aber auch wirklich nur sehr klein:-)!! Was da an offenen und halb-offenen Würfen versemmelt wurde, hat auf dem Sofa körperliche Schmerzen bereitet. Bei 1/19 Dreiern nach dem 3. Viertel kann man in der Tat nur sehr schwierig ein Match gewinnen.
Und wenn, muss man das Inside-Spiel forcieren und da kommen wir wieder auf unseren Frontcourt zurück (siehe Posts der vergangenen Tage/Wochen).
Es geht nur über gute Defense wie gegen Serbien (wobei deren Dreier-Quote sicher auch nicht alleine einer deutschen Defense geschuldet war) und vorne muss man von außen zumindest normale Quoten auflegen, auch um ein bischen Spacing zu schaffen. Gestern ist die türkische Verteidigung bei Schröders Penetration komplett abgesunken, weil sie wussten, dass bei einem Kick-Out-Pass von draußen sowieso keiner trifft.
Tja @Timur, ich glaube dein Tagebuch ist bald zu Ende, denn nach Lille wird wohl kein deutsches Team mehr reisen…:-((