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Fr 27.04.12 21:50

„Jeder weiß, was die Stunde geschlagen hat“

Johannes Herber ist seit Beginn dieser Saison ins Hessenland zurückgekehrt und schnürt seine Basketballschuhe für die Skyliners. Im Interview spricht der 29 Jahre alte Swingman unter anderem über das Endspiel gegen Bonn, warum er sich so intensiv vor jedem Spiel warm macht, wie Justin Gray dem Team geholfen hat, was er von Jacob Burtschi hält und was er als Chef der BBL ändern würde.

Joe, hast du am Mittwoch das Champions League-Spiel zwischen Real Madrid und Bayern München geschaut? Oder den Ticker der für die Skyliners nicht unwichtigen Basketball-Partie zwischen Braunschweig und Bonn verfolgt?
Ich hab das Bayern-Spiel geschaut. Ich hab mich um das andere Spiel gar nicht geschert.

Da Braunschweig gegen Bonn 83:74 gewonnen hat, haben Sie jetzt ein echtes Endspiel um die Playoffs in Bonn. Hättest du das nach dem verkorksten Saisonstart für möglich gehalten?
Zu diesem Zeitpunkt sicher nicht. Umso schöner ist es, dass wir jetzt die Chance haben. Der Weg zurück war nicht ganz einfach. Es gab auch immer wieder Rückschläge. Wir haben es jetzt in der Hand. Das sind die Spiele für die man spielt.

Was waren die Faktoren für den Umschwung?
Wir mussten uns finden. Es gab anfangs Unruhe wegen der Verletzungen von Jermareo Davidson, Justin Gray und wegen des Abgangs von Jon Leuer in die NBA. Uns hat gut getan, dass Jacob Burtschi im Dezember dazu kam. Durch seinen hustle und die Art und Weise, wie er den Ball verteilen kann, hat er uns weitergeholfen. Wir haben dann etwas gefunden was uns zusammenbringt. Und das war die Verteidigung. Wir wussten, darauf können wir uns verlassen und wenn wir die konstant spielen, haben wir immer eine Chance, ein Spiel zu gewinnen. Man sieht immer noch, dass wir in der Offensive ab und an noch zu statisch spielen und Höhen und Tiefen haben. Dann ist es wichtig, dass wir einen push  aus der Verteidigung kriegen.

Wie sehr deckt sich die Spielphilosophie von Trainer Muli Katzurin mit deiner eigenen?
Ich war schon immer ein defensivorientierter Spieler, deshalb gefällt es mir natürlich. Es macht Spaß so zu spielen, wenn alle mitziehen.

Du hast die Rückschläge angesprochen. Wie schmerzhaft waren die Heimpleiten gegen Gießen, Göttingen und Tübingen?
Die haben in diesem Moment sehr wehgetan. Ich schaue jetzt aber nicht zurück und hadere damit. Das bringt uns nicht weiter. Vielleicht haben diese Niederlagen auch einen Teil zum Lernprozess beigetragen. Trotzdem blieben sie ärgerlich.

Was hat gefehlt?
Manchmal waren wir vom Kopf her nicht bereit. Das hat man ganz deutlich beim Spiel gegen Gießen gesehen. Da sind wir ganz schlecht rausgekommen, haben uns zwar nochmal zurückgekämpft, aber das Spiel trotzdem verloren. Wenn man Mannschaften, wie am Sonntag etwa Tübingen, spielen lässt und nicht von Anfang an konsequent verteidigt, hat jede Mannschaft genug Talent, um den Gegner zu schlagen.

Wie wichtig ist es für das Team, dass Michael Thompson wieder fit wird?
Sehr, sehr wichtig. Es würde mich sehr freuen wenn es klappt. Durch seine Dreier und durch die Art und Weise, wie er Spiele leitet. Er ist nunmal ein anderer Point-Guard als Devin, der immer Druck macht. Mike ist ein bisschen ruhiger und das würde uns gut tun.

Als du vor dem Spiel gegen Tübingen gehört hast, dass Thompson ausfällt, hast du da einen Gedanken daran verschwendet, dass Justin jetzt nicht mehr da ist?
Ja, wir haben untereinander ein bisschen gescherzt. Es war eine lustige Situation, dass man ihn zwei Wochen vorher gehen lässt und dann verletzt sich jemand. Aber da steckt man nicht drin.

Hätte er euch helfen können?
Na klar. Justin ist ein hervorragender Spieler. Er war am Ende immer noch nicht so fit, wie er das hätte sein müssen. Aber hatte auf jeden Fall seine Qualitäten und die hätte er auch einbringen können.

Hättet ihr mit ihm diesen Umschwung schaffen können, als es wirklich schlecht lief?
Das kann man nicht sagen. Er hat in der Zeit auch seinen Teil dazu beigetragen. Dadurch, dass er immer auf der Bank und im Training war. Dazu hat er immer angefeuert und mit den Leuten gesprochen. Er hat sich mit seiner Persönlichkeit eingebracht und deshalb sehe ich ihn auch als Teil davon.

Ein ganz wichtiger Spieler, den du vorhin schon erwähnt hattest ist Jacob, der für Jon Leuer kam. Nachdem er kam, hat Katzurin angefangen konsequent auf die Defensive zu setzen. Wie wichtig ist er?
Er hilft uns vor allem in der Verteidigung, durch seine Energie und die Offensivfouls, die er annimmt. Rebounds, die er bekommt. In der Offensive genauso. Er trifft schnelle Entscheidungen. Er ist ein kluger Spieler, der das Spiel lesen kann und Offensivrebounds holt, wie in Oldenburg. Außerdem ist er von der Persönlichkeit ein anderer Typ, als Jon, der ein bisschen introvertierter und ruhiger war. Jacob ist sehr integrativ, geht auf jeden zu und das hat uns auch sehr geholfen. Es hilft, wenn es Spieler gibt, die mehr reden. Wir haben schließlich einige ruhige Typen im Team und wenn jemand da ist, der Stimmung macht, tut das ganz gut.

Wie sehr hast du noch diesen „genegressive Neid“ gegenüber Jon Leuer? (In der Five aus dem Monat Februar hatte Joe über die verschiedenen Formen des Neids im Basketball geschrieben) und dort indirekt das Defensivverhalten von Jon kritisiert
(Grinst). Ich hab ehrlich gesagt, gar nicht mehr verfolgt wie er gespielt hat. Es war auch nicht böse gemeint. Es hat ja jeder gesehen, wie er manche Spiele bei uns gespielt hat und dann wirklich gute Spiele von Anfang an in der NBA gemacht hat. Ich hab in letzter Zeit nicht mehr so viel über ihn nachgedacht. Aber wenn er da Erfolg hat, freut mich das für ihn.

Wenn man sich deine Saison anschaut, verlief die ja auch eher in Wellen. Was macht es manchmal so schwer für dich auf Minuten zu kommen?
Ich hab die ersten paar Spiele gestartet, aber am Anfang nicht gut getroffen. Ich habe es dann manchmal versucht zu erzwingen und dann weniger Spielzeit gekommen. Danach habe ich meine Rolle von der Bank ganz gut gefunden, das Spiel versuche zu ordnen oder mit meinen Dreiern, die ich dann bekomme auch treffe. Das hat sich ganz gut stabilisiert. Trotzdem ist es für mich nicht ganz einfach. Manchmal komme ich nach fünf Minuten rein, manchmal nach zehn oder 12 Minuten. Manchmal komm ich schnell wieder raus oder spiele dann fast durch. Das ist nicht immer ganz leicht, in so eine Rolle einzufinden, weil ich jemand bin der Rhythmus brauch.

Die schwierigste Phase war wohl, als du auf der Point-Guard Position aushelfen musstest.
Ja, in diesen Spielen habe ich Fehler gemacht und mich hab davon beeinflussen lassen und dann den nächsten hinterher gemacht. Das darf natürlich nicht passieren.

Für einen den es am Anfang schwer, war Tim mit dem du auch in der Nationalmannschaft ein Zimmer teilst. Wie hast du seine Entwicklung in den letzten Monaten gesehen?
Ich glaube gar nicht, dass Tim sich so verbesser hat, sondern er macht jetzt die Dinge, die er kann. Das er schließlich auch vorher schon gezeigt. Es hat gedauert bis er sein Selbstvertrauen gefunden hat. Es ist gut für ihn, dass er startet und er dadurch Sicherheit gewinnt. Wir versuchen ihm auch zu Beginn des Spiels oft den Ball zu geben. Wenn er Selbstvertrauen und Sicherheit hat, ist er einer der besten Center, zumindest einer der besten deutschen Center der Liga.

Wenn ich mir deine Spielvorbereitung ansehe machst du die immer sehr intensiv. Seit wann machst du das und wie wichtig ist das für dich?
Das habe ich nach meinen Verletzungen begonnen. Prehab nennt sich das. Eine Mischung aus Prävention und Rehabilitation. Damit stärke ich meinen Rücken und baue Spannung auf und mache Kniebeugen. So kann ich mit einem guten Gefühl in jedes Spiel gehen. Es hilft auch so eine Routine vor dem Spiel zu haben, dann lindert das auch ein wenig die Nervosität.

Du hast in einer deiner Kolumnen geschrieben, dass dich das tam-tam vor einem Spiel manchmal nervt. Stört dich das in deiner Konzentration?
Das habe ich aus einem Gefühl heraus, dass ich bei der Nationalmannschaft im Sommer hatte, geschrieben. Da hat es überhandgenommen. Da hast du drei Maskottchen, kriegst ein Stofftier in die Hand gedrückt und dann hast du die Kinder, die du an die Hand nehmen sollst. Die wissen dann nie wo sie hinlaufen sollen. Dann kam eine Lasershow, Feuerwerk und dann singt jemand. Für die Zuschauer ist das vielleicht ganz schön. Für uns ist es auch ein schöner Moment einzulaufen. Mir ist es manchmal ein bisschen viel. Bei uns hier in Frankfurt geht’s ja jetzt noch. Wenn wir vor dem Spiel im Kabinengang sind, bin ich lieber für mich oder besprech mich nochmal und konzentrier mich.

Wenn du nicht auf dem Parkett bist, was machst du dann? Bist du öfters in der Stadt?
Ich bin ab und zu mit meiner Freundin am Main spazieren. In der Innenstadt eher weniger.

Unternimmst du etwas mit deinen Mitspielern?
Wir gehen ab und zu mal gemeinsam essen.

Wie intensiv verfolgst du die Bundesliga, europäische Ligen und die NBA?
NBA kaum. Eher mal ein Highlight, dass ich zugelinkt bekomme. Die Bundesliga schon. Ich bin öfters auf der Webseite und schaue mir die Highlights an.

Die BBL hat das Spiel zwischen Braunschweig und Bonn ziemlich ungünstig auf den Mittwoch gelegt. Was würdest du tun, wenn du einen Tag der Chef der BBL wärst?
Vieles (grinst). Ich würde wahrscheinlich die Spielergewerkschaft anerkennen und einen Tarifvertrag mit ihr schließen. Das ist eine lange Geschichte. Es gibt einen Standardvertrag von der Liga, der ist aber nicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt, sondern quasi von der Liga entwickelt worden. Als Chef würde ich den Spielern Mitsprache gewähren. Aber das würde ich als wirklicher Chef wahrscheinlich auch nicht machen. Man muss ja auch beide Seiten sehen.

Lass uns abschließend nochmal zur Partie gegen Bonn kommen. Wie groß ist die Anspannung vor dem Spiel?
Jeder weiß, was die Stunde geschlagen hat. Ich freu mich einfach. Du weißt ja, dass ich viele Verletzungsprobleme hatte. Es war immer mein Ziel, solche Spiele wieder zu spielen. Selbst wenn wir nicht in die Playoffs kommen, ist dies das Spiel, was den Playoffs von der Intensität her am nächsten kommt.

Denkt ihr auch darüber hinaus, falls ihr es schaffet, wer der kommende Gegner sein wird?
In den letzten Wochen, als es danach aussah, dass wir Siebter werden können, haben wir natürlich darüber nachgedacht wer der Gegner sein könnte. Da träumt man schon mal. Aber das zählt jetzt nicht.

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